… und mit oder ohne Zauberpflaster, ja wie denn nun?

Nach mehreren Jahren als Ärztin, in denen ich Patienten an allen möglichen und unmöglichen Stellen Blut abgenommen hatte, war ich über mich selbst verwundert – oder beschämt? – als ich als Mutter nun selber in folgende Situation kam:

Meiner neugeborenen Tochter wurde wie üblich aus der Ferse Blut abgenommen für das Stoffwechselscreening (das ist ein Bluttest, der bei Neugeborenen gemacht wird, um angeborene Stoffwechselerkrankungen zu erkennen).

Und ich bin in Tränen ausgebrochen. Obwohl ich vorher genau wusste, was passieren würde, wie es passieren würde und wofür das Ganze gut ist. Dem Kopf war alles klar – aber mein Herz sagte eben etwas anderes…

(Das manchmal doch sehr seltsam anmutende Verhalten als frischgebackene Mutter, bei dem ich mich selbst nicht wieder erkenne, ist dann noch einen ganz eigenen Artikel wert.)

Wenn ich mir nun vorstelle, dass bei einem Kind Blut abgenommen wird, wo die Eltern eventuell nicht genau wissen, was auf sie zukommt, was passieren wird, und warum das eigentlich gemacht wird – und dann wird vielleicht sogar mehr als nur einmal gepiekt, weil der Arzt die Vene nicht genau treffen konnte oder weil es nicht genug geblutet hat…. ja, dann kann ich gut nachvollziehen, wenn aus Missverständnissen oder einfach fehlender Information Sorge oder Ärger entsteht.

Folgende Sätze zeigen mir dann, dass es da und dort wohl noch Aufklärungsbedarf gibt:

„Die Ärztin hat doch letztes Mal ganz einfach in die Ferse/ins Ohrläppchen/in die Fingerspitze gestochen, warum muss denn jetzt extra so umständlich nach einer Vene gesucht werden?“

Wo bzw. wie Blut abgenommen wird, hängt entscheidend davon ab, welche Informationen wir aus der Blutentnahme haben wollen. So kann man zum Beispiel für das Stoffwechselscreening, oder auch um eine Blutzuckeruntersuchung zu machen, eine sogenannte: „kapilläre“ Blutabnahme machen.

Und was ist eine kapilläre Blutentnahme?

Dazu muss man keine Vene suchen, sondern es reicht ein Piek in die Fingerspitze, ins Ohrläppchen oder beim Neugeborenen auch in die Ferse. Man sticht praktisch ins Gewebe, in dem sich Blut, das auch mit Gewebewasser vermischt ist, befindet.

Dieses lässt sich aber durchaus für bestimmte Untersuchungen trotzdem verwenden. Allerdings können andere Werte im Blut durch diese Blutentnahmetechnik nicht bestimmt werden, weil sie sich zum einen durch das Quetschen des Fingers/der Ferse oder durch die Mischung des Blutes mit dem Gewebewasser verändern.

Zum anderen benötigt man oft einfach eine größere Menge an Blut, um eine Untersuchung durchführen zu können. Dafür wird dann eine Blutentnahme aus einer Vene gemacht, also aus einem Blutgefäß, dass das sauerstoffarme Blut zum Herzen hin transportiert.

Üblicherweise wird das Blut dabei aus einer Vene in der Ellenbeuge abgenommen, da man den Arm gut mit Hilfe eines sogenannten „Stauschlauches“ abbinden und somit das Blut stauen kann (wie der Name schon sagt). Dadurch werden die Venen stärker gefüllt, was das Finden und Treffen der Vene mit der Nadel vereinfacht.

Bei kleineren Kindern, die zur Blutentnahme festgehalten werden, weil sie ( – na so etwas – ) keine Lust auf einen Piek haben, wird auch manchmal auf einen Stauschlauch verzichtet und das Stauen mit den Händen gemacht.

„Die Ärztin hat meinem Kind Blut aus dem Kopf abgenommen“ (ist das nicht brutal, gefährlich, erschreckend,….?)

Nicht immer funktioniert die Blutentnahme aus der Ellenbeuge am besten. Manchmal ist es der „Babyspeck“, der dafür sorgt, dass man in den Ellenbeugen einfach keine Vene entdecken kann, manchmal ist die Stelle durch viele vorangegangenen Blutentnahmen (z.B durch „blaue Flecken“) nicht mehr geeignet.

Ist ein Säugling stationär im Krankenhaus, wird die Ellenbeuge auch manchmal absichtlich geschont, um sie für bestimmte Untersuchungen, Eingriffe, Notfälle usw. noch zur Verfügung zu haben.

Man kann auch Venen des Unterarms, der Hand, des Fußes usw. verwenden, um dort Blut abzunehmen.

Bei Säuglingen oder Kleinkindern finden sich aber auch oft sehr gut sichtbare Venen am Kopf. Für Eltern eher nicht die bevorzugte Wahl einer Blutentnahme. Viele sind besorgt, dass der Arzt „in den Kopf“ sticht, oder finden einfach, dass das brutal aussieht.

Vielleicht hilft es dabei, sich folgendes zu überlegen:

Als Ärztin ist es immer mein Ziel bei einer Blutentnahme, das Kind nur ein einziges Mal zu stechen und die Blutentnahme so schonend für das Kind wie nur möglich durchzuführen.

Wenn ich sehe, dass die Venen an Armen, Händen und Füßen weniger geeignet aussehen als die Venen am Kopf (das heißt also: ich sehe das Risiko, dass es notwendig werden könnte, mehrfach zu stechen), nehme ich lieber Blut aus einer Vene am Kopf ab. Nicht „im“ Kopf! Die Vene liegt in der Haut auf dem Schädelknochen.

Ein Vorteil am Kopf ist auch: es geht mit deutlich weniger Festhaltemanövern, die erfahrungsgemäß für das Kind meist unangenehmer sind, als der Piek an sich.
Trotzdem verstehe ich gut, wenn Eltern diese Art der Blutentnahme erschreckt. Meine erste Wahl bleiben Ellenbeugen, Unterarme, Hände oder notfalls auch Füße. Dabei frage ich immer, ob das Kind schon eine Blutentnahme hatte, und welche Erfahrung damit gemacht wurde.

Ich empfinde diese Informationen durch die Eltern als sehr wichtig und hilfreich, und bei erfahrenen Eltern höre ich auch gerne darauf, wenn sie mir sagen, dass bei ihrem Kind die eine oder andere Vene „besser oder schlechter“ ist.

„Und wozu sind denn diese Zauberpflaster??“

Es gibt eine Creme, die die Haut oberflächlich betäubt. Die Creme kann man mit Hilfe eines Pflasters auf der Ellenbeuge auftragen. Sie kann dort für eine Stunde einwirken, und dann erhofft man sich eine möglichst schmerzlose Blutentnahme. Ein weiterer Vorteil, den ich sehe: dem Kind wird vielleicht außerdem etwas Angst vor der Blutentnahme genommen.

Leider hat diese Methode auch Nachteile: Die Haut quillt durch die Creme etwas auf, was dazu führen kann, das man die Vene nicht mehr so gut sieht (und dadurch vielleicht sogar nicht gut trifft).

Man kann natürlich auch nicht alle geeigneten Venen auf diese Weise verpflastern. So kommt es dann vielleicht doch dazu, dass in eine Vene ohne Zauberpflaster gestochen werden muss. Da ist dann die Enttäuschung groß, nachdem man sich extra die Mühe gemacht hat…

Außerdem: die Creme kann vielleicht ein bisschen vor der Blutentnahme Mut machen. Aber wenn das Kind dann da ist, wird trotzdem sein Arm festgehalten, es sieht die Nadel usw… Da hilft meiner Meinung nach eher, wenn man als Eltern eine ruhige und gelassene Haltung einnimmt und dem Kind dadurch (und je nach Alter auch durch Erklärungen) Sicherheit gibt und Angst nimmt. Manchmal ist der Piek dann sowieso kaum zu spüren.

Also wenn Ihr so eine Creme verwenden wollt folgender Vorschlag, damit die Prozedur für alle am zufriedenstellendsten ist:

Fragt den Arzt, der die Blutabnahme durchführt, welche Vene (oder auch welche 2 oder 3) er verwenden würde, und vereinbart mit ihm, ob ihr die Creme dann selbst zu Hause schon auftragt, oder ob das in der Praxis/Klinik gemacht wird und ihr dann Wartezeit einplanen müsst. Und bitte drauf einstellen, dass es auch mal sein kann, dass ein zweites Mal gestochen wird. Selbst bei den erfahrensten Ärzten kommt das vor.

Übrigens: meine eigenen Kinder habe ich bisher nicht selbst gepiekt. Ich war dankbar, wenn das Kollegen übernommen haben und ich als Mutter einfach nur in den Arm nehmen und Mut machen konnte. Bisher hat das sehr gut funktioniert. Sollte sich das mal ändern: ich werde von meinen Erfahrungen berichten….